Halbzeit: „clever+zöger“ Jahrespraktikum für ukrainische Jugendliche

Ein kurzer Rückblick: Februar 22 – Russland überfällt die Ukraine und löst damit eine Flüchtlingswelle aus. Kurzentschlossen räumen wir die Büroräume unserer Agentur in Augsburg und verwandeln die großzügigen Räumlichkeiten in eine Unterkunft für ukrainische Familien. Mit Sachspenden, Behördengängen und sonstigem Rat und Tat hilft das Team der clever+zöger GmbH, allen voran Geschäftsführer Thomas Zöger.

Ein Jahr später: Der Arbeitsalltag ist zurück in den Büroräumen der clever+zöger GmbH. Alle ukrainischen Familien haben eine Unterkunft gefunden, doch der Kontakt ist nicht abgerissen. Man trifft sich, isst und lacht zusammen und hilft sich auch weiterhin gegenseitig.

Projekt realisiert – auch ohne Hilfe der IHK

So ist die Idee entstanden, das Angebot der IHK einer Einstiegsqualifikation zu nutzen und ukrainischen Jugendlichen ein Praktikum zur Berufsorientierung anzubieten. Leider hat uns die IHK schnell gezeigt, wie weit Theorie und Praxis auseinander klaffen und hat uns einen Stein nach dem anderen in den Weg gelegt und letztlich alle finanziellen Hilfen verwehrt.

So wurde aus der „Einstiegsqualifizierung mit der IHK“ das „Jahrespraktikum der clever+zöger GmbH“.

Seit September 2023 lernen Kristina, Tetiana, Artur, Bohdan, Viacheslav und Yehor gemeinsam verschiedenen Bereiche der IT-Branche kennen. Immer nachmittags hocken die Jugendlichen für einige Stunden zusammen. Angeleitet wird die Gruppe fachlich von Thomas Zöger, Geschäftsführer und Inhaber der clever+zöger GmbH. Die Leitung der Gruppe für alle Fragen außerhalb der IT hat Krystyna Yefremova übernommen.

Praktikumklasse ukrainischer Schüler 2024

Halbzeit – ein erstes Resümee

Februar 2024 – 6 Monate sind vorbei und eine gute Gelegenheit mit den beiden Verantwortlichen, Thomas Zöger und Krystyna Yefremova Bilanz zu ziehen.

Thomas Zöger, Sie sind verantwortlich für die Vermittlung der Inhalte. Welche Themen sind in den ersten Monaten durchgenommen worden?

Wir haben zunächst kurz mit den IT-Grundlagen begonnen, um eine gemeinsame Basis für die unterschiedlichen Wissensstände zu schaffen. In den ersten Wochen wurde das Thema HTML und CSS vermittelt, was gerade in Zusammenhang mit responsiven Umsetzungen überraschend gut gelang. Anschließend vermittelten wir den Umgang mit WordPress in Docker (DDEV) Umgebungen. Hierbei erlernten die Praktikanten Docker, Linux und WordPress KnowHow. Ein weiteres Kapitel in unserem Training war die IOS-Programmierung von Apps. Dies machte den Schülern vermeintlich am meisten Spaß, da jeder auf den mobilen Geräten sehr schnell interessante Ergebnisse sehen konnte.

Welche Erfahrungen haben Sie gemacht, was die Lernbereitschaft angeht?

Für uns war das ganze Projekt ein Experiment, alles war neu und unbekannt. Bereits der Aufbau der Praktikanten-Gruppe war eine eigene Challenge, die wegen jeder Menge Bürokratie und mangelnder Flexibilität der IHK viel Nerven kostete. Hier hätten wir uns mehr Nähe zum Betrieb und ein Miteinander gewünscht, jedoch haben uns diese massiven Steine auf unserem Weg nicht aufhalten können, da wir an das gesamte Projekt glaubten. Ein spezielles Lob gehört hier den Jobcentern ausgesprochen, welche uns unerwarteterweise sehr geholfen und unterstützt haben. Ein weiteres Dankeschön geht aus tiefstem Herzen an die Firma JetBrain, welche uns mit den kostenlosen Lizenzen Ihrer Produkte für unsere Praktikanten sehr geholfen hat. Auch wenn das gesamte Projekt ohne fremde finanzielle Unterstützung von unserer Firma gestemmt wird, so ist es ein Erfolg. Die Lernbereitschaft, aber auch die generelle Einstellung zur Arbeit und das Miteinander der jugendlichen Ukrainer hat uns sehr überrascht und wir bereuen diesen Schritt zu keiner Zeit.

 

Wie läuft die Kommunikation mit den Jugendlichen?

Eine Auflage des Jobcenters ist der parallele Besuch eines Sprachkurses. Unsere Kurse werden auf Deutsch und Englisch gehalten, was ebenfalls dem Erlernen der Sprache für unsere Praktikanten sehr zuträglich ist. Wir haben stets ein offenes Ohr und das wird in Form von ehrlicher und positiver Kommunikation belohnt.

Thema „fehlender Nachwuchs“ und Fachkräftemangel: Sehen Sie bei einigen in der Gruppe IT-Fachkräfte von morgen?

Das Niveau der Schüler ist sehr unterschiedlich. Viele der Schüler sind jedoch sehr affin und lernbereit oder haben sogar ein Studium für IT in der Ukraine abgeschlossen. Für die überwiegende Mehrheit sehen wir extrem gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt und das macht uns sehr stolz. Wir hätten uns mehr Hilfe von den verantwortlichen Stellen gewünscht, doch als Firma sollte man seine Ziele verfolgen und wird hierfür stets mit jungen, motiviertem Nachwuchs-Fachkräften belohnt.

clever+zöger krystyna und thomas

Die Leiterin der Gruppe, Krystyna Yefremova, stammt, wie die Jugendlichen auch, aus der Ukraine.

Krystyna Yefremova, Sie sind, wie die Praktikanten auch, durch den Krieg in Ihrem Heimatland nach Deutschland gekommen und kümmern sich um alle Belange außerhalb der fachlichen Ausbildung.

Wie ist es für Sie in Deutschland neu anzufangen? Wie empfinden Sie die Gruppe? Was gefällt Ihnen besonders gut?

Es ist nicht einfach, noch einmal in Deutschland neu anzufangen, da ich nie den Wunsch hatte, auszuwandern und die Ukraine zu verlassen. Wir hatten alles, was wir brauchten – eine intakte Familie, einen guten Job und unsere eigene Wohnung. Mein Mann führte sein eigenes Geschäft, und wir konnten uns sogar ein paar Mal im Jahr Reisen leisten. Die Schwierigkeit besteht darin zu realisieren, dass man alles auf einmal wegen der russischen Invasion verliert, was man sich über Jahre hinweg aufgebaut hat, und gezwungen zu sein, seine Heimat verlassen muss und in einem fremden Land neu anzufangen.

Aufgrund der Gefahr von Raketen und Bomben musste ich mit meinem 7-jährigen Sohn fliehen, um sein Leben und seine seelische Gesundheit zu schützen. Dank meiner Kenntnisse in Englisch und Deutsch aus Schule und Universität konnte ich eine Unterkunft in Augsburg finden, eine Schule für meinen Sohn organisieren und Sprachkurse belegen, um meine Deutschkenntnisse zu verbessern.

Mir gefällt es, mit jungen Menschen zu arbeiten. Ich sehe Potenzial von unseren Praktikanten und ihren brennenden Wunsch, etwas Neues zu lernen und erfolgreich zu sein. Es ist wichtig, sie jetzt zu unterstützen und zu erklären, dass alles, was sie tun, ihre Zukunft beeinflussen wird. So sind sie auf dem richtigen Weg, einen Beruf in der IT zu erlernen und im Leben erfolgreich zu sein. Und wie großartig ist es, dass die Firma clever+zöger ihnen diese Möglichkeit bietet. Wir sind alle dankbar für die Unterstützung Christiane Clever und Thomas Zöger in all diesen Belangen.

Ich finde, dass die Praktikanten ein gutes Team bilden, während sie gemeinsam das Programmieren lernen. Wir teilen ähnliche Erfahrungen und Herausforderungen und unterstützen uns gegenseitig. Besonders beeindruckt mich der Zusammenhalt und die Motivation, die in unserer Gruppe vorhanden sind. Es ist inspirierend zu beobachten, wie jeder sein Bestes gibt, um sich anzupassen und seine Ziele zu erreichen.

Wer steckt hinter der clever+zöger GmbH?

Die clever+zöger GmbH ist ein mittelständisches, inhabergeführtes IT-Unternehmen mit Sitz in Augsburg. Gegründet 2010 hat sich die Agentur einen Namen als hochprofessioneller Anbieter für E-Commerce Lösungen auf Basis verschiedener Systeme wie Magento, Shopware und anderen gemacht. Der Fachkräftemangel auf dem deutschen Markt und große Probleme bei der Entwicklung von Nachwuchskräften hat die Idee ein Jahrespraktikum für ukrainische Jugendliche anzubieten, zum Projekt werden lassen. „Ursprünglich waren wir mit der IHK Schwaben im Gespräch, um das Programm der Einstiegsqualifizierung zu nutzen“, erklärt die Geschäftsführerin, Christiane Clever. „Doch nachdem wir uns mit der IHK schon schriftlich einig waren und alles mit der Agentur für Arbeit organisiert hatten, hat die IHK einen Rückzieher gemacht und hat die bewilligten Gelder gestrichen.“
„Kurzentschlossen haben wir dann das Projekt in eigener Regie auf die Beine gestellt“, erklärt Thomas Zöger, „denn zum einen wollten wir die Jugendlichen nicht enttäuschen und zum anderen brauchen wir den Nachwuchs.“

Autor

Sina Zöger

Erstellt

4. März 2024

Kategorien